Montag, 28. September 2015

8. Spieltag - Rasenball mit roten Bullen



8. Spieltag, Saison 2015/16 – Donnerstag, 24.09.2015
RB Leipzig – SC Freiburg              1:1 (0:1)

Schwolow – Mujdza, Höhn, Kempf, Günter – Abrashi, Höfler – Frantz (90.+2 Kath), Philipp (70. Hufnagel) – Guédé (85. Kleindienst), Petersen

0:1 Petersen (29.), 1:1 Selke (47.)

Gelbe Karten: Mujdza (77.), Günter (90.)
Schiedsrichter:
Benjamin Cortus
Zuschauer:
26.000

RasenBall oder doch eher Rasenschach? Weder noch lautet das Fazit nach der sehr intensiv geführten, teilweise auch wilden Partie zwischen den unangefochtenen Marktwertführern der 2. Bundesliga in der Leipziger Red Bull Arena.
Und wer taugt nun eigentlich besser als Alphatier der zweithöchsten deutschen Spielklasse: das schlaue Füchsle oder doch der wuchtige Stier? Die Antwort muss nach dem unterm Strich leistungsgerechten 1:1 womöglich bis zum Rückspiel oder gar noch länger vertagt werden.

Durchaus licht waren die Sitzschalen in der schmucken Spielstätte auf dem Grund des einst mächtigen Zentralstadions frequentiert, als die beiden ehrgeizigen Mannschaften das Spielfeld betraten. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sich doch die beiden Top-Anwärter um den Aufstieg ins Oberhaus erstmals überhaupt im bezahlten Fußball gegenüberstanden.
Als Bewährungsprobe, Standortbestimmung oder Gradmesser war die Partie für den Tabellenzweiten aus dem Freiburger Osten bei der geldgeschwängerten Betriebssportgemeinschaft eines österreichischen Getränkedosenmagnaten im Vorfeld betitelt worden. Nach 90 + 2 Minuten, die den Spielern vor allem körperlich alles abverlangten kann man dem SCF mit Fug und Recht das Prädikat "Bestanden" ausstellen. Doch der Reihe nach:

"Fachkraft für Retortenclubs aller Art"
In den ersten 20 Minuten sah "Bullenflüsterer" Ralf Rangnick nach eigenem Bekunden eine ängstliche Stierhorde. Exemplarisch führte er in der Nachbetrachtung eine Szene an, in der Ilsanker erst mehrfach den Ball in der eigenen Hälfte nicht unter Kontrolle bringen konnte und dann auch noch den Freiburger Jungbullen Günter umpflügte - sicherlich das kuriose Highlight nicht nur der Anfangssequenz sondern der gesamten Begegnung. Den ausgegebenen Matchplan sah der schwäbische "Prof" -seines Zeichens Fachkraft für Retortenclubs aller Art- bereits nach 5 Minuten durchkreuzt, als Petersen nach einem langen Zuspiel stabil blieb, sich gut gegen den bereits erwähnten Ilsanker durchsetzte und mit einem satten Flachschuss aus halbrechter Position das Tor nur knapp verfehlte.
Abschlüsse der Freiburger zu verhindern stand doch auf der Bullen-Agenda. Doch alsbald sollten, jeweils nach Ecken, weitere folgen. Allerdings gelang es weder Frantz mit einem Kopfballaufsetzer (12.) noch Höhn mit dem langen Bein nach Ablage von Philipp (18.), den gut reagierenden Coltorti zu überwinden.

Auf der Gegenseite leitete ausgerechnet eine etwas verunglückte Faustabwehr Schwolows die beiden besten Leipziger Chancen in Halbzeit 1 ein. Allerdings machte der junge Sportclub-Goalie seinen Fehler mehr als wett, indem er erst Halstenbergs "Volley-Parabel" mit einem katzengleichen Sprung aus dem Winkel kratzte und dann beim anschließenden Eckball in Allianz mit dem Torpfosten einen Sabitzer-Kopfball per gutem Reflex entschärfte. Die "RasenBallisten" schienen Mitte der 1. Halbzeit langsam auf Betriebstemperatur zu kommen und einen Taurinüberschuss gewinnbringend in die Waagschale werfen zu können. Mit gnadenlosem Gegenpressing trieben sie die Fehlerquote der Freiburger in die Höhe. Zunehmend agierten diese nun zu überhastet in Ballbesitz, waren nicht beweglich genug und verloren Mitte der ersten Halbzeit allmählich den Zugriff. 

"Stürmer ohne herausragende Qualitäten"
Just als man Gefahr lief, der zu Beginn des Spiels demonstrierten Zweikampfhärte verlustig zu werden, machte es Zack- Zack - Zack - Zack und das Spielgerät zappelte wie selbstverständlich im Netz der Leipziger. Bulls Eye sozusagen! Der Stürmer ohne herausragende Qualitäten -für den ein oder anderen Freiburger Fan hingegen einfach ein geiles Stück DNA- hatte den besten Freiburger Angriff des Abends selbst lanciert mit einem Pass auf Guédé, dieser seinerseits Philipp aufgelegt, welcher sich aufmachte, leichtfüßig über die Bullenweide zu spazieren, um schließlich NP18 präzise in den Lauf zu spielen, der das Zuckerpässchen trocken mit einem humorlosen Flachschuss zum 0:1 veredelte. Nils Petersen hatte für die Roten Bullen spätestens in Minute 29 die Gestalt des Roten Tuchs angenommen. Dies mundete Ralf Rangnick und dem erfolgsverwöhnten Anhang sicher so gut wie manch Anderem gekochte Stierhoden.
Die Bullen schüttelten sich kurz und schnaubten dann einige Zeigerumdrehungen später vor Wut, als Orban und Selke in Minute 39 den Ball mit allen möglichen Körperteilen über die Linie stocherten, dem vermeintlichen 1:1 aber die Anerkennung wegen Abseits verweigert wurde; eine strittige Szene, die echte und Möchtegern-Regelkundler wohl bundesweit den restlichen Abend beschäftigen und möglicherweise gar den gesundheitsfördernden Schlaf rauben sollte.

Die Freiburger Reisegesellschaft verwaltete nach dem Leipziger Nicht-Treffer die schmale Führung bis zum Pausenpfif souverän. Mit dem etwas schmeichelhaften, wenn auch nicht unverdienten 1:0 im Rücken und dem Wissen, dass RB Leipzig unter der Spielleitung von Benjamin Cortus in der Vergangenheit noch nie als Sieger vom Platz gegangen war, kehrte man in Minute 46 entspannt aufs Feld zurück - eventuell etwas zu entspannt, wie sich nur 90 Sekunden später zeigen sollte. Der agile Diego Demme hatte eine Lücke in der dichtgestaffelten, vielbeinigen SC-Abwehr gefunden und auf den brav von Höhn und dem schwächelnden Frantz flankierten, sträflich freien Selke durchgesteckt, der nicht lange fackelte und den Ball elegant am komplett chancenlosen Schwolow vorbei zum vielumjubelten Ausgleich ins lange Eck schlenzte. Erneut hatte der SC im Zeitkorridor 45. - 60. Minute ein Tor geschluckt, bereits das 4. im 8. Saisonspiel und man musste nun etwas Angst haben, wenn man es mit dem SC hielt. Geschickt variierte Ralf Rangnicks Mannschaft nun Tempo und Spielrhythmus, während die SC-Elf wie das Kaninchen vor dem Bullen zunehmend in Passivität verharrte. Wie lange sollte man sich noch im Sattel halten können bei diesem wilden Rodeo-Ritt?

Alles was zwei Beine und das Herz am rechten Fleck hatte, half nun hinten aus. Nicht selten konnte man vor allem während der zweiten Hälfte den Eindruck gewinnen, dass Philipp und Frantz beim Spiel gegen den Ball oft sogar tiefer standen als die nominellen AV Mujdza und Günter. Davon ausgehend, dass dieses Formationsspiel von Streich gewollt war, um die Räume am eigenen Strafraum so engmaschig wie nur möglich zu machen, muss man konstatieren, dass diese taktische Variante nur bedingt aufging, erwiesen sich die Offensivaußen in ihrem Defensivverhalten doch durchaus als fehleranfällig.

Hatten Philipp und Abrashi mit einer Doppelchance in Minute 58 noch für ein offensives Lebenszeichen der im gewöhnungsbedürftigen "Erzgebirge Aue-Look" angetretenen Breisgauer gesorgt, tauchte der Tabellenzweite fortan nur noch sehr sporadisch in des Gegners Hälfte auf. Daran sollte sich bis zum Spielende nichts ändern, geriet der Vortrag in eigenem Ballbesitz doch einfach zu unpräzise und unkontrolliert. Auch schien es so, dass man sich auf Grund schwindender Kräfte schon recht früh auf die Sicherung zumindest eines wertvollen Punktes bei den ambitionierten Messestädtern verlegt hatte. Dieses durchaus riskante Unterfangen ging letztendlich gut, da die Sachsen zwar Schneid, Courage und beeindruckendes Laufvermögen bewiesen, im letzten Spieldrittel aber oft nicht zwingend genug agierten. Und kamen sie vereinzelt zum Abschluss, dann war stets Schwolow auf dem Posten, der an dieser großen Aufgabe wuchs, was die schönste und positivste Erkenntnis eines Unentschiedens mit einer Nuance Glück für den Sportclub ist - in einem echten Zweitligaspitzenspiel auf Bundesliganiveau.
(Olli aus Schopfheim)

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