Montag, 24. August 2015

SC Freiburg - Meine große Liebe (4)


Ketchup-Fleck über Zehnder

Die meisten Eltern machen es sich heutzutage einfach.
Geht man am Bolzplatz vorbei, sehe ich Kinder mit Bayern-Trikots. Ich sehe viele kleine Müllers, ich sehe viele kleine Götzes und ab und an taucht mal ein Deutschland-Trikot auf. Dann ist dort aber auch kein Klose oder Großkreutz zu sehen. Auch dort schmücken Götze, Müller, Schweini den Rücken. Bei ganz exotischen Kids ist mal Reus hinten drauf.

Ich bin der Meinung, dass das erste Trikot eines Kindes sehr prägend und wichtiger Bestandteil der Entwicklung ist. Ein Kind mit einem Bayern-Trikot, ist einfach nur eines unter vielen. Es trägt sein Trikot immer und überall, zeigt jedem dass man Meisterfan ist, und hat bestimmt schon mal mit einem Auge einen Bayern-Sieg in der Sportschau gesehen, während man neben Papa auf der Couch sitzt und Mario-Kart auf der Nintendo-DS spielt.

Ein Sieg wird nur noch mit einem kurzen Lächeln wahrgenommen und am nächsten Schultag wird sich wieder Götze übergestreift. Alles außer die Meisterschaft ist eine bittere Enttäuschung und wird den Jungen für mindestens 30 Minuten zu Tode betrüben, oder eben nur so lange, bis er sich mit Spongebob im TV ablenken kann oder die Mama eine frische Lasagne aus dem Backofen holt. Der Erfolg stumpft das Kind ab und Niederlagen kennt es keine.

Zwei Jahre später scheitert der Junge an der Relegation von Grundschule aufs Gymnasium, da er in der 90. Minute einen indirekten Kommafehler im Deutschdiktat eingebaut hat. Mit 14 Jahren macht seine große Liebe Jenny mit ihm Schluss, mit der seit 9 Tagen ein glückliches Paar war. Das Kind ist so enttäuscht und niedergeschlagen, dass er auch noch die Bundesjugendspiele verkackt und nach der Ehrenuhrkunde im Vorjahr nicht einmal eine Siegerurkunde bekommt. Die Welt ist zusammengebrochen und er ist nicht einmal volljährig.

Zwei Häuser weiter wohnt der kleine Kimbi. Sein erstes Trikot ist keins von Bayern, keins von Dortmund, es ist eins von Freiburg. Viel zu groß und gebraucht, da der ältere Cousin rausgewachsen ist. Das Trikot hat auch keinen Rückenflock, unten an der Naht franzt es schon aus und über dem Zehnder-Werbeaufdruck ist ein Ketchup-Fleck zu erkennen. Man ist dennoch stolz über den Lappen und freut sich wie Bolle.

Stolz schaue ich mit meinem Vater, dem Großvater, Cousin oder auch zur Not alleine „ran“ oder die Sportschau. Man sieht mit an, wie man gegen 1860 München 0:3 verliert, man sieht ein tristes 0:0 im Schneegestöber gegen Köln und man muss zusehen, wie Markus Beierle vom MSV Duisburg den 1:0-Siegtreffer gegen die Freiburger erzielt. Als Freiburg-Fan lernt man zu leiden.

Klar tun die Niederlagen größtenteils weh und auch private Rückschläge sind oft schmerzhaft, doch durch den SC Freiburg habe ich gelernt, mit dem Scheitern umzugehen und Niederlagen zu respektieren und Triumphe umso deutlicher zu genießen. Der Junge im Bayern-Trikot freut sich nicht lange über Siege und Meisterschaften, der Freiburg-Fan kann tagelang von einem Sieg zehren und darüber bin ich dankbar.

Meine Trikotsammlung ist in den letzten Jahren beachtlich gewachsen. Jahrelang war ich ohne SCF-Trikot unterwegs. Nicht, dass ich kein Fan mehr war, ich wollte mir einfach keines leisten. Nach dem letzten Aufstieg musste aber eines her. Mir hat die Mannschaft sehr gut gefallen und ich habe jedes SC Spiel in der 2.Liga angeschaut. Wie Schuster, Idrissou, Pouplin & Co. die Liga gerockt haben, hat mir sehr viel Freude gemacht, also sagte ich mir: "Zur neuen Saison gönn ich mir mal wieder ein Trikot."

Aber welcher Spieler? Ich wollte kein Allerweltstrikot von einem Spieler, wie ihn jeder auf dem Rücken trägt. Anders sollte es sein. Ein Spieler, der vielleicht noch nicht den großen Wurf gelandet hat, aber womöglich irgendwann Elite ist. Meine Wahl fiel auf Andreas Glockner. Rückennummer 19. Zwei Bundesliga-Kurzeinsätze und dann in der Rückrunde verkauft. Das Trikot hatte ich mir erst im November gekauft. Dumm gelaufen.

In den Jahren drauf hatte ich, bis auf mein Oli Baumann- (damals noch Torhüter Nr.3) und mein Günter-Trikot, auch nicht immer das beste Händchen für Spielertrikots. Egal ob sie Bickel heißen (kein Bundesligaspiel), Calvente (2 Kurzeinsätze), Hedenstad (in der Saison 2013/2014 ohne Bundesligaeinsatz), Andy Hinkel (7 Einsätze) oder Karim Guédé (höchst umstritten) heißen, ich musste mir viel anhören. Spott und teilweise Beleidigung waren an der Tagesordnung. Doch mir ist es egal.

Mir ist es egal ob man über mein Bickel-Trikot lacht. Scheißegal, ob man mich wegen meines Hinkel-Trikots als Drecksschwabe bezeichnet und es kümmert mich nicht, wenn mich jemand fragt, wer Calvente sei. Meine SC-Trikots trage ich mit Stolz. Aus Stolz zu einem so tollen Verein gehören zu können und aus Freude, dass wir so sympathische und bodenständige Spieler haben und hatten wie z.B. Andreas Hinkel. Ex-Nationalspieler, UEFA-Cup-Sieger, Schottischer Meister. Setzt sich bei uns auf die Bank, mault nicht, hilft den jungen Spielern wie Sorg ungemein und redet trotzdem von einer super Zeit in Freiburg. Ein Mensch mit einem Andreas Hinkel-Trikot kann kein schlechter Mensch sein. Spieler wie Hinkel und Guédé passen auch viel mehr zu meiner Persönlichkeit, als z.B. Max Kruse oder Papiss Cissé.

Ich bin nämlich kein Elektrotechnik-Student der nebenher mit seinem Sixpack Bezirksliga-Torschützenkönig wird und jedes Wochenende die Mädels auf dem Disco-Klo bämst. Ich bin Altenpfleger, Reservespieler beim TuS Kinzigtal II in der Kreisliga C, habe sehr lichtes Haar, 15kg Übergewicht und einen riesen Schwanz. Ein ganz normaler Typ eben, aber keiner, den man als Gewinnertyp ansieht. Doch ich finde nicht, dass ich gescheitert bin und verliere auch nicht gerne.

Aber wenn ich den Bezirksliga-Torschützenkönig in seinem Schweini-Trikot sehe, bin ich mir absolut sicher, dass ich nicht mit ihm tauschen will. Ich bin Anhänger des SC Freiburg, dem tollsten Verein der Welt, der leider unverdient abgestiegen ist und ich bin stolz darauf, SC-Fan zu sein. Mein SC Freiburg-Trikot ist mehr als ein Fetzen Stoff. Es ist meine zweite Haut und ich bin froh, dass meine Familie vor mehr als zwanzig Jahren die richtige Entscheidung getroffen hat."Schenken wir doch dem Jungen ein Trikot eines bescheidenen Außenseiters. Er wird es uns danken."

Und wie ich das tue! Egal in welcher Liga.

Ihr wollt auch erzählen, wie ihr SC-Fan wurdet? Schickt eure Geschichte einfach an scfreiburgfanbuch@gmail.com

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